[dropcap size=small]E[/dropcap]in merkwürdiges Szenario hatten die „Dino Crisis“-Spiele eigentlich schon immer. Wer glaubt, die bisherigen Titel hätten durch die Vermischung von Urzeit und Zukunft den Höhepunkt der Absurdität erreicht, wird sich beim dritten Teil ungläubig die Augen reiben müssen. CAPCOM treibt das Spektakel noch viel, viel weiter auf die Spitze, die so manch einer meinte bereits zu kennen, und schickt den Spieler mitsamt Dinosauriern in das Jahr 2542.

In dieser fernen Zukunft, weit weg von den ursprünglichen Protagonisten Regina & Co, schlüpfen wir in die Rolle von Patrick Tyler, der Mitglied eines militärisch ausgebildeten Rettungsteams ist. Jene wurden losgeschickt, um die Begebenheiten um das bereits über drei Jahrhunderte verschollene Kolonie-Raumschiff Ozymandias aufzuklären, welches ohne Vorwarung plötzlich wieder aufgetaucht ist und direkten Kurs auf die Erde genommen hat. Ein freundlicher Empfang erwartet die vermeintlichen Retter allerdings nicht: Promt attackiert die riesige Ozymandius die Raumschiffe der Rettungscrew und bläst sie mit Leichtigkeit in tausend Stücke. Nur wenige Überleben den Angriff und schaffen es mit Hilfe von Jetpacks lebend an kleinere Eingänge und somit in das Innere des Riesenschiffes zu gelangen. Neben Patrick sind dies noch Sonya Hart (deren Rolle wir im Spiel übernehmen, wenn Patrick in Schwierigkeiten ist), der Captian Jacob Ranshaw und ein weiteres Mitglied, das jedoch recht schnell von einem unglaublich riesigem Ungetüm getötet wird, das verdächtig nach einem T-Rex aussieht. Nur hässlicher. Dummerweise gibt es von den Reptilien in mannigfaltigen Formen und Größen noch etliche mehr auf dem Schiff, so dass die drei Überlebenden – mit den Fragen im Hinterkopf, was zum Geier eigentlich los ist und wie sie aus dieser zweifelos beschissenen Situation wieder heil herauskommen – alle Hände bzw. Abzugfinger zu tun haben, um auch weiterhin Überlebende zu bleiben.

Mittagessen?!? Nicht mit mir!!!

[column size=one_half position=first ]Um den Dinosauriern zeigen zu können, dass man selbst eine ziemlich schwierig zu erkämpfende Mahlzeit ist, steht einem ein recht wuchtiges Waffenarsenal zur Verfügung. Zu Beginn ist Patrick bereits mit einem Maschinengewehr ausgerüstet, das in den Genuß unbegrenzter Munition kommt. Da sich im weiteren Spielverlauf die Anzahl der Gegner und deren Gefährlichkeit steigert, kann die Standardwaffe um die Schrotflintenartige „Wide Shot“-Munition und sogar noch auf eine fette Laserwaffe erweitert werden. Zustätzlich gibt es sog. WASPs, die im Grunde genommen kleine, selbstständig agierende Roboter darstellen und die im Raum befindlichen Feinde angreift. Desweiteren gibt es einen zweiten Feuermodus, der im Grunde die Kraft einzelner Schüsse bündelt, sich aber im normalen Spielverlauf als nur bedingt nützlich erweist. [/column]

[column size=one_half position=last ]So wie bei den Waffen gibt es von den WASPs auch drei Varianten: Zunächst die erste Version, welche schnelle Lasersalven auf den Gegner abfeuert, dann eine zweite Variante, welche Feinde mit Elektroschocks tracktiert und zu guter letzt noch die dritte Version, die schlicht aber effektiv explodiert. Wer wild ballert und gleichzeitig ein paar WASPs startet (drei dürfen sich maximal gleichzeitig in der Luft befinden), veranstaltet eine nettes Feuerwerk. Selbstverständlich gibt es neben den Wummen auch kleine Helferlein wie Medipacks oder ähnliches, die über das gut bedienbare Menü jederzeit genutzt werden können. Waffenupgrades oder Utensilien lassen sich an Speicherpunktstationen gegen sog. Credits eintauschen, die der Spieler gegen getötete Feinde erhält. Je grösser und gefährlicher er war, desto mehr Credits gibts. Zudem liegt diese wertvolle Währung überall auf der Ozymandias herum und wartet nur darauf eingesammelt zu werden.[/column]

Die goldene Himbeere für die schlechteste Kamera

Man kann es bereits an der Beschreibung des Waffensystems sehen: Spieltechnisch geht der dritte Teil der Serie deutlich mehr in Richtung Action und rückt Rätseleinlagen in Form von simplen Schalter- und Puzzleaufgaben weiter in den Hintergrund. Hauptsächlich ist der Spieler damit beschäftigt den richtigen Weg durch das Raumschiff zu finden und sich zu verteidigen. Gekämpft wird gegen kleineres bis mittelgroßes Getier und gegen kleine Roboter bzw. Mienen. Auffällig ist zudem das häufige Auftauchen eines riesigen Endgegners, die allesamt besonderes Geschick und Ausdauer von dem Spieler abverlangen.
Geschick und Ausdauer. Dies sind zwei Begriffe, die in „Dino Crisis 3“ gross geschrieben werden dürfen. Manchmal erhascht dem Spieler während seiner Erkundung durch das Raumschiff das Gefühl, die Entwickler wollten an einigen Stellen den Spielverlauf unnötig strecken, da man manchmal kreuz und quer und wiederholt und irgendwie zu oft durch die Ozymandias gescheucht wird. Da aber durch das Sci-Fi-Setting viele kleine neue Ideen in die Spieldynamik eingebaut wurden (etwa Schwerelosigkeit) und die Geschichte relativ spannend erzählt wird, ist dies ein kleineres Übel, das zudem nicht allzu oft auftaucht.

[column size=one_third position=first ]Im Folgendem das eigentliche Makel: Bereits in der ersten Auseinandersetzung fällt einem augenblicklich die unglückliche Kameraführung des Spieles auf. Wie bei so vielen Genrekollegen nimmt sie je nach Lage der Spielfigur im Raum einen anderen Blickwinkel ein und erzeugt mit zusätzlichen Schwenks ein cineastisches Spielgefühl. Dummerweise ist das eigentliche Spiel leider viel zu schnell für diese Kameratechnik. Das liegt zum einen daran, das die Dinosaurier verdammt flink sind und somit Zombies aus „Resident Evil“ oder kranke Monsterphantasien nach bewusstseinserweiternden Drogen alà „Silent Hill“ im Wettrennen – ohne mit der Wimper zu zucken – abhängen würden. Zum anderen ist die Spielfigur Patrick durch sein jederzeit einsetzbares Jetpack ebenso flink unterwegs. Nun, zwangsweise muss er das auch sein, denn ohne das Pack wäre er nicht in der Lage den schnellen Angriffen seiner Widersacher auszuweichen, die auch nach bereits wenigen Treffern zum Tode führen.[/column]

[column size=one_third position=middle ]Da die Entwickler den Kämpfen nicht die Geschwindigkeit nehmen wollten, bauten sie ein automatisches Zielsystem ein, womit der naheste Gegner anvisiert wird. Die Dinos oder Maschinen sind in den seltensten Fällen im Bild zu sehen und können daher nur durch die Geräuschquelle und durch die Schussrichtung erahnt werden. Die Kamera lässt den Spieler also oft im Dunkeln darüber, wo sich der nächste Gegner befindet, womit Auseinandersetzungen mit Feinden weitesgehend stark intuitiv ablaufen, was sicherlich nicht im Sinne der Spielmotivation ist.[/column]

[column size=one_third position=last ]Außerdem macht sich die schlechte Kameraführung auch in Sprung- bzw. Geschicklichkeitseinlagen negativ bemerkbar, da sie nicht nur oftmals mitten im Sprung oder Gleitflug mit dem Jetpack die Ansicht wechselt, sondern sich auch die Steuerungsrichtung komplett neu orientiert. Durch die schwierige Kamera ist zustäzlich oft Umdenken erforderlich, wenn man versucht sich in den Gängen und Räumen der Ozymandias zu orientieren, da sich für ein ungeübtes Auge so manche Umgebungen stark ähneln. Die frei dreh- und zoombare 3D-Karte, welche in den allermeisten Fällen aufgerufen werden kann, ist zwar einigermaßen informativ, aber ebenso gewöhnungsbedürftig.[/column]

Reflektionen im Doppelpack

Technisch gesehen ist „Dino Crisis 3“ ein immenses Präsentationsmonster. Die Rendersequenzen haben eine sehr hohe Qualität und schaffen es ebenso wie die hervorangenden Soundeffekte, den Spieler sehr schnell in die entsprechende Situation und Atmosphäre zu bringen. Wenn aus allen Rohren gefeuert wird und wahnsinnig große Dinosaurier lauthaus brüllen, bläst die Akustik trotz fehlender Dolby 5.1-Unterstützung die Ohren blutig. Umgebungsgeräusche wie das Summen von elektrischen Kraftwerken, das Knarzen instabiler Gänge oder die Hydrauliken diverser Motoren klingen so herrlich stimmig, dass vor allem Sci-Fi-Fans warm ums Herz wird. Zwar sehr passend, aber auffallend abwechlungsarm ist leider die Musikbegleitung des Spieles, die stellenweise bei dem Versuch klassische Stücke zu imitieren trotzdem noch nach einem Synteziser klingt, wogegen elektronisch angehauchte Ambient-Klänge sich sehr ordentlich anhören.

Wertvollster Schatz des prallen Präsentationspaketes ist jedoch eindeutig die sehr gelungene Optik, die großen Nutzen aus der leistungsfähigen X-Box-Hardware zieht und tolle Effekte und schön detaillierte Texturen auf den Bildschirm zaubert, wobei die einfachen Blockschatten, die die Polygonfiguren werfen, fehl am Platze wirken, jedoch nach einer Zeit nicht mehr auffallen. Die Ozymandias wurde extrem futuristisch designt und besteht fast vollständig aus Metall, wo ständig Reflexionseffekte zum Einsatz kommen. Fast scheint es, als wollten die Entwickler den Spieler mit Glanz und Spiegelungen in der Umgebung geradezu erschlagen. Als wenn das nicht schon gefährlich nahe an einem Optik-Overkill dran wäre, finden sich zudem noch eine Vielzahl technischer Spielereien in der Umgebungsgrafik, beispielsweise in Form von ständig in Bewegung befindlichen Maschinen oder eine Ansammlung von Blitzen auf Spannungsfeldern. Das gesamte, ohnehin schon sehr künstlerisch wirkende Sci-Fi-Design erreicht an manchen Stellen schon fast eine surrealistische Ebene, etwa wenn man einen Kontrollraum betritt, in dem es von sich bewegenden Bildschirmen nur so wimmelt, die sogar an der Decke oder durch einen Glasboden zu sehen sind. Der tollen, verspielten Gestaltung zum Trotz ist es sehr schade, das sich so gut wie keine Anzeichen dafür finden lassen, dass die Ozymandias tatsächlich ein Kolonieschiff ist. Es gibt weder eine Cafetaria, noch Schlafräume oder Grünanlagen. Stattdessen dominiert die stark lebensfeindlich und extrem künstlich wirkende Umgebung; ein durch das All schwebendes Metallmonster, dessen Innenleben ebenso fremd wirkt wie die ferne Zukunft für uns in der Gegenwart es ebenso und tatsächlich tut.
Die Animation der Hauptcharaktere sind weitesgehend sehr gelungen, auch wenn man beim genauem Hinsehen erkennen kann, dass sie sich nicht ganz geschmeidig zu bewegen scheinen. Ohne Zweifel beeindrucken können hingegen die Bewegungsabläufe der Dinosaurer, die sehr glaubwürdig aussehen. Die Ur-Viecher sind übrigens nicht mehr „originale“ Abbilder ihrer wirklichen Vorfahren, sondern wurden passend zum Sci-Fi-Szenario und der Geschichte eher wie Weltraummonster gestaltet.

Klingt absurd, ist es aber nicht

Wo wir gerade dabei sind: Die Geschichte des Spieles hat mich persönlich überrascht. Angesichts der beiden Vorgänger und des Szenarios stand ich dem Potential einer für ein Videospiel plausiblen Geschichte sehr skeptisch gegenüber. Auch wenn die Charaktere nicht großartig über die üblichen Figuren, die CAPCOM im Durchschnitt für Horrorspiele entwirft, hinausgehen: Die Drehbuchautoren haben es dennoch ganz gut hingekriegt eine annehmbare Story auf die Beine zu stellen, auch wenn sie kleinere Logiklöcher aufweist. Eine Romanfähige Geschichte sollte man aber keinesfalls erwarten. Eine solche gab es bei CAPCOM bisher ohnehin noch nicht.

Dino Crisis 3
Inhaltlich löst sich das Spiel endgültig von seinen Resident Evil-Wurzeln und profitiert von seinem Sci-Fi-Setting, sowie dem dadurch befreitem Art Design. Leider ist die Kombination aus schnellen Gegnern, Plattformsequenzen und fixen Kameraperspektiven ein immenser Störfaktor.
audiovisuelle Präsentation8
Realisierung der Spielmechanik3.5
inhaltliche Gestaltung und dramaturgische Aufbereitung8.5
6.7Gesamtwertung
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