[dropcap size=small]A[/dropcap]uf I Am Alive war ich von Anfang an gespannt, wie der sprichwörtliche Flitzebogen. Ein Survival Titel in einem Endzeitszenario, welches einen Schwerpunkt auf die Kommunikation mit den Mitmenschen legte und auch vor ekeligen Themen – wie z.B. Kannibalismus – keinen Halt machen sollte – ich war schon früh am Haken.

zappeln lassen

Doch dann wurde es wieder ruhig um den Titel. Keine Infos, kein Lebenszeichen, rein gar nichts war zu hören und man durfte sich schon berechtigte Sorgen um den Verbleib machen.
Erst im Januar 2012 kam ein definitiver Release Termin: April 2012. Als Arcade Titel.
Seufz. Wenigstens etwas.
Zeitgleich mit Alan Wake: A New Nightmare zog ich mir dann auch I Am Alive.

Nach durchspielen beider Titel muss ich nun einfach sagen: Wenn das Jahr jetzt vorbei wäre, ich hätte meine Plätze 1+2 meiner Jahres Top Ten.

Erst war ich bei I Am Alive etwas skeptisch, rauschte es doch eher negativ durch den digitalen Blätterwald. Zu schwierig und demotivierend seien die Kletterpassagen. Steuerung sei auch eher schlecht, als recht. Die Gegner KI viel zu aggressiv und dadurch ist das Spiel im Allgemeinen viel zu schwierig.
Alles Pussies da draußen?

Okay, das Spiel IST schwierig, aber ich empfand die Schwierigkeit eher als motivierend und intensiv, im positiven Sinne.
Dadurch, dass man neben der Lebensenergieleiste auch noch eine Ausdauerleiste hat, die sich rasch leert, sobald man klettert, rennt oder von Sims zu Sims springt, gerät man ins Schwitzen, sobald die Musik anschwillt, man weiß, dass man gleich abschmiert, wenn man nicht den rettenden Vorsprung erreicht, oder noch einen Kletterhaken in die Fassade rammt.
Selten musste ich so oft mir mal eine quarzen, weil ich in allerletzter Sekunde noch das rettende Ufer erreicht hab oder den letzten Kletterhaken nutzen konnte.
Das Ganze gibt dem Spiel noch eine taktische Komponente.

zum Schneiden dicke Atmosphäre

Sicher, bei Ezio, Nathan und Konsorten sieht das alles flüssiger und stylischer aus, doch gehen solche Abschnitte nicht so unter die Haut, wie beim Protagonisten Adam.
Eben dieser Adam sucht seine Familie. Die Stadt Haventon wurde, wie anscheinend da whole world, von einer nicht näher genannten Katastrophe heimgesucht und liegt in Trümmern. „Ein Jahr“ hat Adam gebraucht, um nur die Stadt zu erreichen. Doch findet er zunächst ein leeres Zuhause und ein kleines Mädchen, welches ihn frappierend an seine eigene Tochter erinnert und beschließt, ihr aus der Patsche zu helfen.

Dieses stellt das Grundkonstrukt der Story dar, doch bis zu diesem Punkt hat man die unglaublich dichte Atmosphäre in sich aufgesaugt.
Die Straßen (bzw. was von denen noch übrig ist) sehen herrlich verlassen aus, Hochhäuser lehnen sich an Nachbarhäusern an. Durch die urbanen Schluchten weht ein Hauch von Vereinsamung, Leid und Tod. 
Die Grafik präsentiert sich grobkörnig, beinahe total farblos und karg, was aber passt.

Die Mitmenschen, die noch unter den Lebenden weilen, neigen aber wirklich dazu sehr aggressiv zu Werke zu gehen. Da hätte ich mir doch etwas mehr Verhaltensvielfalt gewünscht. Im Vorfeld war z.B. die Rede, dass man sich mit ´ner Flasche Wasser freikaufen könnte. Nur ist dies in der finalen Version nicht möglich.

Auseinandersetzungen mit kleineren Gruppen laufen immer ähnlich ab: Man lässt einen Gegner an sich herantreten. Dieser trägt immer ne Knarre. Es folgt ein Macheten-Quickkill, woraufhin man die anderen, herumstehenden Opponenten mit seiner eigenen Pistole bedrohen kann.
Entweder ergeben sie sich, oder man muss ihnen schmerzhaft beibringen, wer denn doch der Boss ist. Doch obwohl sich solche Szenen immer ähnlich abspielen, sind sie immer spannend und adrenalinfördernd.

Oh the humanity?!?!?

Auch kommt der Horroraspekt nicht zu kurz. Pyramid Heads, Aliens und Geister sucht man aber vergeblich. Es ist die böse Stiefmutter Natur und das Monster Mensch, welche den Angstschweiß auf der Stirn tanzen lässt.
Auf Bodenlevel fristet eine elendige Staubschicht ihr Dasein, welche alles Lebende nach ´ner gewissen Aufenthaltsdauer sehr unlebendig macht. Zum Glück stehen immer noch ein paar Werbebanden auf den Straßen, an denen man sich in Sicherheit ziehen kann.
Der Zustand der Menschen allerdings …
… da wird gemordet und vergewaltigt, Kannibalismus betrieben und vor keinem Alter zurückgeschreckt.
Dieses sehr düstere Szenario trägt dazu bei, wie realistisch und – ich sag´s noch mal- , wie intensiv sich das Spiel spielt.

Manche Dinge stören den Spielfluss schon ein bisschen, aber diese halten sich arg in Grenzen.
Manchmal ist die Kollisionsabfrage net so toll, dann ist die Kamera nicht auf Höhe des Geschehens. Die Steuerung ist selten etwas frickelig und ich habe es nicht verinnerlicht bekommen, dass man, wenn man noch an einem Vorsprung hängt, erst A drücken muss, um sich hochzuziehen.

Sei´s drum.
I Am Alive ist ein erstklassiges Spiel für Erwachsene und jeden einzelnen MS Point wert. 8 Stunden Spielzeit sind auch sehr gut im Arcade Territorium. Eigentlich eine Schande, dass nie ein Vollpreistitel dabei rausgekommen ist, aber dafür kann das Spiel nichts.

Klare Empfehlung von meiner Seite. Saugen, zocken, ein sehr gutes Spiel gespielt haben.

I am alive
Im Gamedesign in manchen Punkten noch verbesserungswürdiges, in Sachen Atmosphäre und Setting aber einzigartiges und dichtes Survival Horror-Spiel ohne jegliche übernatürlichen Komponenten.
audiovisuelle Präsentation8
Realisierung der Spielmechanik7
inhaltliche Gestaltung und dramaturgische Aufbereitung9
8Gesamtwertung
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