[dropcap size=small]I[/dropcap]n den letzten Jahren hat der asiatische Horrorfilm vor allem durch populäre Filme wie „Ringu“ und zahlreiche westliche Remakes einen beachtlichen Aufschwung genossen, dessen beste Zeiten nun jedoch wieder vorbei sein sollten. Das Survival Horror-Genre hat sich insgesamt nur gering von diesen Filmen beeinflussen lassen, aber eine Spieleserie, die sich ganz klar daran ein Vorbild genommen hat, ist „Forbidden Siren“. Es ist also wenig verwunderlich, dass auch Asiaten sich ans Werk gemacht haben, um mit dem Heulen der Sirenen Kinozuschauer in den Saal zu locken.

Im Jahre 1976 geschieht auf der südlichen Insel Yamijima etwas bizarres: Das Meer verfärbt sich rot, der Klang von Sirenen ertönt … und alle Einwohner verschwinden spurlos. Nur ein einziger Überlebender bleibt zurück und verliert den Verstand. Der junge Mann redet wirr und kann niemanden genau erklären, was eigentlich passiert ist. Er behauptet nur immer wieder, dass er das wahrhaft böse gesehen hat und man in keinem Fall dem Ruf der Sirene verfallen sollte.
Neunundzwanzig Jahre später haben sich zwischenzeitlich neue Einwohner auf der Insel eingenistet, worunter sich auch der Überlebende befindet. Ein freier Autor fortgeschrittenen Alters namens Shinichi zieht mit seiner erwachsenen Tochter Yuki und seinem noch im Kindesalter befindlichen Sohn Hideo in ein Haus auf Yamijima ein. Er erhofft sich durch den Ortswechsel eine Besserung des des derzeit brüchigen mentalen Zustands seiner Familie; insbesondere von Hideo, um die sich Yuki intensiv kümmert. Die fühlt sich allerdings nicht besonders Wohl in ihrer Haut, als sie bemerkt, dass die Dorbewohner nicht gerade begeistert über die Ankunft der Fremdlinge vom Festland sind. Die drei hegen zunächst kaum Kontakt zu den restlichen Bewohnern der Insel und versuchen sich hauptsächlich um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Als eine Nachbarin Yuki eindringlich warnt, keinesfalls während der Nacht aus dem Haus zu gehen, während die Sirenen ertönen, stellt sie jedoch – ständig mit der Frage im Hinterkopf, was das genau bedeuten soll – intensive Nachforschungen über Yamijima und deren Bewohner an. Während sie mehr und mehr herausfindet, tritt plötzlich etwas ein, wodurch Yuki erkennen muss, dass die Insel ein düsteres Geheimnis birgt.

Forbidden Siren minus surrealer Alptraum

Die Videospiele im „Forbidden Siren“-Universum teilen sich in ausschlaggebenden Punkten die ursprünglichen Produzenten der „Silent Hill“-Serie. Insofern sind einige offensichtliche Parallelen zu entdecken. Die auffälligste dürfte der hohe Anteil an surrealistischen Komponenten sein, die sich beide Serien besonders bei der Gestaltung der Umgebungen teilen. Im Spiel ist die Insel Yamijima in blutroten Nebel und gleichzeitig in eine ungewöhnlich intensive Finsternis getaucht. Auch das Meer sowie der Himmel haben eine rote Färbung angenommen. Verstärkt wird der Eindruck durch ständigen Regen und ein verstärktes Aufkommen an fliegenden Insekten, die sich um die letzten Lichtklekse tummeln, die überhaupt noch in der Dunkelheit zu finden sind.
Von dieser alptraumhaften Szenerie zeigt die Verfilmung zu „Forbidden Siren“ leider nur wenig und zudem noch in eher mangelhafter Ausführung. Offenbar bestand die Idee diese Herausforderung zu umgehen, indem man eine Art einführende Vorgeschichte zu dem zweitem Spiel erzählt. Bei dem Konzeptentwurf ist neben der surrealen Szenerie auch die komplexe, puzzleartige Erzählweise der Spiele dem Rotstift zum Opfer gefallen. Dort wird die Geschichte im ständigen Perspektiven- und Zeitwechsel erzählt, was zumindest in abgeschwächter Form im Format eines Filmes möglich gewesen wäre. Stattdessen wurde eine höchst konventionelle Dramaturgieform gewählt, wie sie bereits in vielen anderen Horrorfilmen verwendet wurde. Es gibt zu Beginn einen kurzen Einblick auf die Geschehnisse im Jahre 1976; danach macht der Film einen Zeitsprung zu den Protagonisten und erzählt die Geschichte in strikter chronologischer Reihenfolge zuende. Zwar werden Zuschauer, die die Spiele nicht kennen, dadurch einen wesentlich leichteren Einstieg in die Handlung finden, aber es ist trotzdem enttäuschend, dass aus dem lobenswerten Videospielexperiment ein Horrorfilm nach dem Schema F geworden ist. Inkusive Plottwist.
Fans der Videospielreihe werden neben den beiden oberen Punkten auch noch andere wichtige Merkmale vermissen, dennoch ist es überraschend, dass trotzdem durch kleinere, widerum originalgetreue Details eine Stimmung erzeugt wird, die mit der Vorlage kompatibel ist. Jedenfalls, wenn man bedenkt, dass dieser Film als Einführung zu sehen ist.

Wechselspiel

Die nun im Raum stehende Frage ist sicherlich, ob „Forbidden Siren“ als üblicher Horrorfilm für ein unwissendes Publikum funktioniert. Aufgrund einiger Schwächen in der Inzenierung kann sie leider nicht mit einem eindeutigen Ja beantwortet werden. Stehts wankt der Film zwischen unfreiwillig komischen und – völlig gegensätzlich – absolut hervorragend in Szene gesetzten Sequenzen. So werden beispielsweise manchmal völlig deplaziert und effekthascherisch wirkende, schnelle Schnittfolgen eingefügt, die eher in einem stylischen Actionfilm hätten Platz finden sollen. Die Beleuchtung lässt die Kulissen in dunklen Sequenzen wie schlechte Studiosets aussehen und auch die Leistung der Schauspieler kann in dramatischen Szenen keinesfalls überzeugen. Wenn die Hauptdarstellerin beispielsweise mit großen Augen völlig erschrocken auf ihr Handy schielt, wirkt dies eher putzig als angstübertragend.
Im Gegensatz dazu stehen nahezu alle Szenen, die bei Tageslicht stattfinden. Das Spiel der Darsteller ist dort wie in vielen anderen asiatischen Produktionen eher reserviert, fügt sich aber gut zu dem eher ruhigem Stil, der sehr gekonnt dunkle Vorahnungen und Anzeichen illustriert. Regisseur Yukihiko Tsutsumi orientiert sich da erfolgreich an den eher subtileren Genrevertretern und zeigt zusammen mit seinem Kameramann ein Gespühr für alltäglich wirkende, und doch beunruhigende Bilder. Überhaupt ist gerade bei den Aufnahmen bei Tag sehr auffällig, dass für das Genre ein ungewöhnlich klarer und betont farbnatürlicher Stil gewählt wurde, der sehr an gute Fotografien erinnert. Dies ist besonders bei den Bildern zu sehen, die die natürliche Umgebung der Insel und die Behausung der Bewohner zeigen. So kommt die Umgebung für den Zuschauer greifbarer, etwas authentischer daher als üblich – eine Sache, die das Spiel nicht geschafft hat, aber im Grunde auch nicht schaffen wollte.

Wie sicherlich deutlich aus der bisherigen Rezension herauszulesen ist „Forbidden Siren“ ein Film, der das hohe Potential seiner Vorlage nicht nutzt und einen enttäuschenden durchschnittlichen Horrorfilm darstellt, der nur phasenweise funktioniert bzw. möglichweise sogar etwas überraschen kann. Im Bereich der Videospielverfilungen platziert sich der Film knapp im Mittelfeld, was angesichts der bisherigen Ergebnisse auf diesem Gebiet keine große Herausforderung ist. Im großen Sektor des asiatischen Horrorfilms verblasst das Werk von Yukihiko Tsutsumi leider angesichts der teils großen Meisterwerke, die seine Kollegen kreiiert haben.

Forbidden Siren
Waren die Videospiele exzellente Angstmacher, so mangelt es der Filmumsetzung an Ernsthaftigkeit und visionärer Kraft. Am Ende bleibt ein durchschnittlicher Horrorfilm.
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