[dropcap size=small]N[/dropcap]icht immer folgen Videospiele der Regel einer konsequenten Weiterentwicklung. Manchmal gibt es Fortsetzungen, die unter nie erwarteten Problemen leiden oder den alten Hut immer wieder aufsetzen. Oftmals ist es aber so, dass die digitale Evolution von Aufguss zu Aufguss ein nach und nach besseres Spiel hervorbringt. Eine noch lange nicht vom Austerben bedrohte Serie ist die von Resident Evil, und deren schwächste Sprösse – die Lightgun-Ableger – haben es trotz ungünstiger Voraussetzungen auf bisher 3 Teile gebracht (wovon der eine Dino Crisis gewidmet war). Die vierte Evolutionsstufe trägt den Namen „Dead Aim“ statt „Survivor“ und dieser Namenswechsel sagt einiges. Das Spiel ist anders als seine Vorgänger; zu positiven Aspekten mutiert sozusagen.

Die Geschichte eines Resident Evil-Spiels ist meist recht schnell erzählt, also bedienen wir uns an dieser Stelle umfassend erstmal bei vier einfache Worten: Umbrella, Virus, Ausbruch, Zombies. Die Ausgangs-Location von „Dead Aim“ ist allerdings nicht Racoon City, sondern ein Luxusdampfer, den Terroristen gekapert haben, nachdem sie sich aus einem Pariser Umbrella-Büro den Virus unter den Nagel gerissen haben. Selbstverständlich geht alles schief und selbstverständlich wurden wir schon vor dem Zombiedesaster als amerikanischer Geheimagent losgeschickt, um herauszufinden, wer verantwortlich für den Diebstahl ist. Bereits im Intro horchen Resi-Freaks auf: Der feminin wirkende Morpheus hat seine Finger im Spiel und nebenbei interessiert sich noch eine chinesische Geheimagentin für die Machenschaften auf dem Luxusschiff bzw. für Umbrella.
Und – guess what – die darauf folgende Geschichte stammt geradezu wie aus dem Resi-Bilderbuch. Selbstverständlich mutiert jemand vom Menschen zum Tyrand zum … Ding … und selbstverständlich gibts in der zweiten Hälfte des Spiels ein geheimes Umbrella-Labor. Sarkastiche Resi-Hasser würden wild gestikulierend ausrufen: „Ohhhhhh … ein geheimes Labor in der Antarktis!“ oder „Ahhhhhh … die nächste T-Virus-superdupa-Mutanten-ekel-Monsterststufe als Endgegner!“. Der vierte Lightgun-Ableger erzählt seine Geschichte zwar souverän in gut gemachten Rendersequenzen (die übrigens einen echt guten Schnitt haben) und den obligatorischen Dialogen, aber wirklich vom Hocker reissen wird diese sicherlich niemanden.

BANG! BANG!

Na gut, wer sich die Vorgänger der Ablegerserie gekauft hat, wollte schließlich ballern. Kanonenfutter gibt es bei „Dead Aim“ reichlich. Auch hier wird die gewohnte Resi-Kost geboten: Zombies, Hunter, Riesenfliegen, mutierte Fisch-Dinger und der Tyrant in verschiedenen Mutationsstufen selbst. Das Gegnerverhalten ist ebenso wie gewohnt recht eindimensional; bestehen deren Angriffsmethoden meist darin, einfach auf einen zuzurennen. Zur Überraschung des geneigten Spielers ist „Dead Aim“ allerdings kein rein hirnloses Geballer, sondern es gibt tatsächlich gameplaygravierende Anleihen bei den Originalen. Das gesamte Spiel präsentiert sich durch und durch als konsequente Mischung aus einen Lightgun-Shooter und einem waschechtem Survival Horror-Adventure, also letzendlich das, was die Surivivor-Serie schon immer sein wollte. Es gilt bei den Schießereien sparsam mit der Munition umzugehen, es wird viel geforscht, etwas gerätselt und zwischendurch meldet sich die dünne Handlung zu Wort. Die ganze Show ist zwar nach 4 bis 5 Stunden schon vorbei, doch muss man fairerweise dazu sagen, dass das Spiel den Unterhaltungslevel dabei angenehm hoch hält, was zuallererst an dem gutem Wechselspiel zwischen Action und Adventure liegt. Immer wenn man glaubt, eine Passage sollte jetzt ein Ende nehmen, bevor sie auf die Nerven geht, tut sie dies auch. Echt Kopfnüsse gibt es allerdings keine, meist geht es schlicht um Schlüsselsucherei und wer gut zielt hat quasi schon gewonnen. Vor allem Zombies lassen sich mit einem Schuss erneut über den Jordan schicken, wenn man ihnen eine Kugel in die Stirn feuert. Splatterfreaks brauchen übrigens gar nicht zu spekulieren: Zwar fließt eine Menge Blut, doch Körperteile und Innereien bleiden da, wo sie sind.
Wie oft in den Resi-Spielen üblich, wechselt man während des Spiels zwischen anderen Charakteren; im diesem Falle zu der asiatischen Geheimagentin, die sich allerdings nicht anders spielt als das Ami-Pendant. Auch Resi-Üblich sind die Schießprügel: Pistole, Magnum, Schrotflinte, Raketenwerfer, Granatwerfer, Maschinengewehr und letzendlich noch ein wuchtiges Umbrella-Gimmik bilden das Sammelsorium an Bleispritzen und sonstigen Todbringern.

So ganz mit dem gut verdaulichem Gameplay kann die Steuerung leider nicht mithalten. „Dead Aim“ wurde hauptsächlich für die G-Con-Lightgun konzepiert, die neben der eigentlichen Pistole noch ein Steuerkreuz und Knöpfe an der Seite bietet. Alternativ kann man zum handelsüblichen Gamepad greifen. Grundsätzlich steuert man seinen amerikanischen Geheimagenten aus der 3rd-Person-Perspektive durch die Räume. Betätigt man den Abzug, wechselt das Spiel blitzschnell in die Ich-Perspektive. Das funktioniert in der Theorie prima, doch es fällt dem Spieler in der Praxis schwer, sich auf ein Steuergerät zu spezialisieren. Benutzt man den normalen Controller, läuft man leichtfüßig durch die Gänge und kann prima mit Gegenständen interagieren. Bei der Methode wird allerdings das Zielen zur Qual, da man mit den Analog-Sticks ein Fadenkreuz haargenau über den Schirm dirigieren muss, während das untote Gesöcks sich unaufhaltsam auf einen zubewegt. Ehe man sein Fadenkreuz anständig ausrichten kann, haben die Widersacher sich bereits ein saftiges Steak aus dem Protagonisten herausgeknabbert. Verwendet der Spieler hingegen die G-Con-Lightgun, ist das Zielen selbstverständlich kinderleicht, doch die Navigation ist sehr fummelig. Die prinzipiell optimalste Kombination wäre die aus USB-Maus und Controller, aber nicht jeder Spieler hat 1. beide Sachen zur Hand und möchte 2. ständig beides in der Hand halten.

Von schlechten Eigenschaften zu guten

Trotz der allgemeinen Verbesserung ist auch die Atmosphäre nicht so gut, wie sie hätte sein können. Das liegt nicht nur an der schwachbrüstigen Story, sondern auch an der technischen Umsetzung des Spiels. Komplett in Echtzeit-3D gehalten, kommen die Locations meist detailarm daher. Ein leerer Gang trifft auf den anderen, während mit vielen Einzelheiten gestaltete Räume eher selten zu finden sind. Auch die Figuren wirken teilweise etwas polygonarm, und das, obwohl die Grafikengine bei vielen Gegneraufkommen ins Stocken kommt. Die sehr düster und eher gräulich gehaltene Farbwahl rettet in Kombination mit ordentlichen Lichteffekten die Optik in ein oberes Mittelmaß und vermittelt durchaus stellenweise angenehme Gruselatmosphäre, was nicht zuletzt an der von Silent Hill-inspirierten Taschenlampe liegt, die die Protagonisten ständig bei sich tragen. Die Akustik hilft der Atmosphäre trotz oder gerade durch ihren sehr spärlichen Einsatz. Die meiste Zeit bekommt der Spieler neben den selbstverständlichen Soundeffekten nur Ambientgeräusche zu Ohren, wie etwa das Rauschen von Belüftungsschächten oder das Rauschen von Wasser. Im Zusammenspiel mit der gräulich gehaltenen Optik wirkt die Stimmung im positiven Sinne leer und unscheinbar bedrohlich. In diesem Fall kippt die eher durchschnittliche Präsentation zur positiven Seite, was eher in der Natur des Genres zu begründen ist. Die Musik, sofern sie in dramatischen Situationen einsetzt, ist minimalistisch und keinesfalls hörenswert. Schnell hintereinandergespielte Akkorde und in den Raum schallende Strings sollen Stimmung und Spannung suggerieren, was allerdings auf diesem Wege nicht funktioniert.

Unterm Strich bemerkt der geneigte Spieler allerdings schon, dass das Programmiererteam Ambitionen hatte, endlich einmal alles anders zu machen und die vierte Evolutionsstufe der Survivor-Reihe glänzen zu lassen. Ganz so gut ist das Spiel jedoch nicht in der Generationsepoche angekommen, auch wenn die Atmosphäre dunkler und gruseliger gehalten ist, das Gameplay an sich endlich gut funktioniert und sich auch die stilistische Aufmachung von den anderen Resident Evil-Spielen differenziert, indem sie zum größten Teil auf eine eher comichafte Einlagen so mancher Quasi-Vorgänger verzichtet.

Resident Evil: Dead Aim
Im Gegensatz zu seinen beiden Gun Survival-Vorgängern ist Dead Aim überraschend gut. Der Ableger bietet kurzweilige Balleraction, kann aber letztendlich die hohen Ansprüche der Resident Evil-Reihe nicht erfüllen. Den Charakter eines lauwarmen Spin-Offs schüttelt es nie ab.
audiovisuelle Präsentation6
Realisierung der Spielmechanik6
inhaltliche Gestaltung und dramaturgische Aufbereitung6
6Gesamtwertung
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