[dropcap size=small]F[/dropcap]ortsetzungen bringen Schwierigkeiten mit sich: Zum einen muss darauf geachtet werden, dass das Sequel die Anhänger des oder der Vorgänger anspricht und zufriedenstellt, auf der anderen Seite muss es aber auch etwas neues bieten, damit der neue Teil der Serie nicht zu stark seinen Prequels gleicht. “Silent Hill 3” versucht den Spagat zwischen dem altbewährten Elementen für Liebhaber und neuen für ein breiteres potentielles Publikum.

Heather Morris, die Hauptfigur des Spieles, findet sich zu Beginn des Spieles auf einem Vergnügungspark wieder, der jedoch völlig verlassen zu sein scheint. Statt herumtollender Kinder und anderen Menschen findet sie nur mit Blut überströmte Hasenkostüme und zurückgelassene Verkaufsstände. Doch noch mehr ist seltsam: Der Boden besteht aus Gittern, durch die Heather in eine schwarze, gähnende Leere blicken kann. An manchen Stellen sind Käfige aufgestellt, in denen seltsame, vermutlich tote Kreaturen eingesperrt sind. Der gesamte Ort wirkt verfallen, Rost und verfaultes Holz ist zu sehen, während leichte Nebelschwaden den Schauplatz umwehen.
Die verwirrte, ängstliche Heather macht sich, mit einem Taschenmesser und einer Taschenlampe ausgerüstet, ohne eigentliches Ziel auf dem Weg und trifft recht schnell auf weitere schwer zu beschreibende Kreaturen, die sie promt angreifen. Sie flüchtet leichtsinnig auf die Gleise einer Achterbahn, in der Hoffnung, dass sie dort von den Wesen verschont werden würde … doch dann spürt sie die Vibration auf der Gleise und wird, ehe sie sich umdrehen kann, von der Achterbahn erfasst …
… und im nächsten Moment wacht sie unversehrt in einem Cafè auf. Offenbar nur ein Alptraum. Aber bereits die nächsten Minuten werden Heather und den Spieler fragen lassen, ob dem tatsächlich so ist.

Story in der Mainstream-Version

[column size=one_half position=first ]Die Entwickler, die bereits die ersten beiden Teile geschaffen haben, bleiben ihrer Linie treu und führen mit dem dritten Spiel bisher völlig unbekannte Charaktere ein, zu denen auch die Figur des Spielers, Heather, gehört. Im Gegensatz zu “Silent Hill 2” fungiert der dritte Teil jedoch als direkte Fortsetzung des ersten. Der Spieler erfährt mehr über die düstere Hintergrundgeschichte von Silent Hill und findet mehr Details über relevante Charaktere heraus. Die Geschichte bietet dabei viele überraschende Wendungen und offenbart einige aha-Effekte. Dabei bleibt sie durchweg sehr spannend und wird in beeindruckenden, hervorragend inzenierten (und in Echtzeit berechneten) Zwischensequenzen erzählt. Überhaupt ist “Silent Hill 3” wie seine Vorgänger dramaturgisch durchdacht. Der Spieler weiss immer genauso viel wie die Protagonistin und ist dadurch durchgehend motiviert weiteres zu erfahren. Zentrale Themen im Plot sind Selbstfindung, religiöser Fanatismus und Familienverbundenheit, also nach wie vor auch solche, die den Spieler affektieren könnten. Allerdings ist die Geschichte weniger kompliziert erzählt als in den Vorgängertiteln. Auch wenn immer noch etwas Interpretation von dem Spieler erfordert ist, werden hier schon sehr viele Karten deutlich auf den Tisch gelegt. Dem Plot gelingt damit zweierlei: Zum einen wird Neulingen alles etwas verständlicher dargestellt, zum anderen bekommen Fans durch die vielen neuen Informationen erneut die Möglichkeit Verbindungen bzw. Theorien in der Geschichte zu entwickeln und nachzuvollziehen.
Ein deutlicher Nachteil, der dabei aufkommt: Die psychologische Tiefe des Vorgängers wird nie erreicht. Im Gegensatz zum zweiten Teil ist die dritte Episode rund um die Stille Stadt kein inhaltlicher Ausnahmetitel mehr, sondern ein relativ Mainstream-kompatibles Werk geworden.[/column]

[column size=one_half position=last ]Verstärkt tauchen in dem zweiten Sequel auch wieder Emotionen auf, die das Geschehen entscheidend unterstreichen. Trauer, Skepsis und Wut machen beispielsweise einen grossen Bestandteil von Heathers breiter Gefühlspalette aus. Ungewohnt wird jedoch für eingefleischte Anhänger der beiden ersten Teile die Verhaltensweise der Hauptfigur sein. Während in den Vorgängern James Sunderland oder Harry Mason ihrer notgedrungenen, teilweise kafkaesken Situation eher fassungslos gegenüberstehen, findet sich Heather erstaunlich schnell mit ihrer ab. Davon leidet im zweiten Viertel des Spieles stellenweise die Glaubwürdigkeit des Charakters, was zwar zum Ende hin abnimmt, aber einen faden Beigeschack aufrechterhält. Neulinge wird dies freilich wenig stören, vor allem weil auch der Rest der Figuren komplexe Charaktere darstellen, womit “Silent Hill 3” anderen Titeln genreübergreifend einiges voraus hat.
Auch die Hauptaspekte der Atmosphäre haben sich in dem dritten Teil verlagert. Während im zweiten Teil noch melancholische Stimmungen herrschten, zielt der dritte hauptsächlich darauf ab Panik zu verursachen. Der Eindruck eines grotesken Alptraums entsteht recht schnell, was besonders an so manchen verstörenden Bildern liegt. Konami hat auf Kritik zum Prequel reagiert und das Spieltempo deutlich angezogen. Auch das ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass „Silent Hill 3“ nun deutlich auf ein Massenpublikum zielt.[/column]

 

Alptraum … aber so richtig!

[column size=one_quarter position=first ]Die audiovisuelle Intensität nimmt besonders im späteren Verlauf des Spieles zu und verlangt den Nerven des Spielers einiges ab. Ein Grossteil von “Silent Hill 3” spielt in schlecht beleuchteten Gängen, was den Programmierern die Möglichkeit gegeben hat, klassische, also auch neue Horroreffekte einzubauen. So profitiert die dichte Atmosphäre stark von dem hervorragenden Schatteneffekten, die durch unterschiedliche Lichtquellen, aber vor allem durch Heathers Taschenlampe erzeugt werden. Jede einzelne Figur und jeder einzelne Gegenstand wirft einen dynamischen Schatten, der verblüffend realitätsnah dargestellt wird. Auch dichter Nebel ist wieder, wenn auch seltener mit von der Partie, in dem man meint Fratzen erkennen zu können. Zu den neuen Mitteln zählen Effekte wie Blut, das an den Wänden runterläuft oder pulsierende, mit Fleisch und Madern überzogende Gänge.[/column]

[column size=one_quarter position=first ]Um den Eindruck zu verstärken haben die Macher eine hervorangende Sounduntermalung geschaffen, die seinesgleichen sucht. Die Soundeffekte klingen, wenn es sich um gegenwärtige Gegenstände oder Tätigkeiten handelt, recht realistisch und wissen zu erschaudern, wenn die Spielsituation es erfordert. Geschickt werden sie in das Geschehen eingebunden: In einem ruhigen Raum beispielsweise ertönt plötzlich ein Poltern, das von dem oberen Stockwerk zu kommen scheint; Schreie, Geflüster oder das Weinen eines Kindes hallt durch Gebäude, während an anderen Orten undefinierbare Geräusche aus diversen Ecken zu vernehmen ist.[/column]

[column size=one_quarter position=middle ]Der Soundtrack ist nach wie vor Oberklasse. Gefühlvoll eingespielte Gitarrenklänge wechseln sich mit panischen Industrialsounds ab. Erstmalig im dritten Teil werden nun auch Vocals eingesetzt, deren Melodie und beinhalteter Text zwar sehr gut zur Handlung passt, aber auch nicht unbedingt jedem Gefallen wird. Die gesungenen Stücke bleiben trotz ihrer guten Qualität eine klasse für sich und werden nicht jeden Spieler ansprechen können. Auch dies ist ein Punkt, an dem so mancher Fan der voherigen Teile möglicherweise anecken wird.[/column]

[column size=one_quarter position=last ]Das gesamte Design des Spieles ist auch beim dritten mal wieder sehr gelungen. Die Kreaturen scheinen auch diesmal einer kranken Phantasie entsprungen zu sein und auch die gesamte Umgebung wirkt sehr überzeugend. Die Spielewelt wurde mit viel Liebe zum Detail kreiiert und bleibt durch eine Vielzahl modellierter Gegenstände und hochauflösender Texturen sehr abwechslungsreich. Überhaupt hat die technische Seite viel zu bieten. Die Grafik ist sehr schön anzusehen und die Figuren sind dank Motion-Capturing sehr beeindruckend animiert. Vor allem die Mimik der Protagonisten weiss zu überzeugen; die Lippen bewegen sich synchron zu dem gesprochenen, an den Gesichtern lassen sich Gefühle gut ablesen.[/column]

Das grauenhafte Kampfsystem

[column size=one_third position=first ]An dem Spiel selbst hat sich nicht besonders viel verändert, lediglich der Spielfluss wurde erheblich optimiert. Lange Laufwege sind nun weggefallen, der Schwierigkeitsgrad bei den kämpferischen Auseinandersetzungen ist angestiegen. Die Kreaturen stellen jetzt eine wesentlich höhere Bedrohung für die Spielfigur da, als es in den voherigen Teilen gewesen ist, da sie etwas geschickter angreifen und teilweise sogar Angriffe abblocken oder flüchten. Blocken kann der Spieler Angriffe nun auch. Heather hält dazu ihre Hände schützend vor sich, was aber nur bei kleineren Gegnern etwas bewirkt. Die neue Blockfunktion erfordert geschicktes Timing und ist daher schwer einzusetzen.[/column]

[column size=one_third position=middle ]Das Waffenarsenal hat sich ebenfalls etwas vergrößert. Neben den in der SH-Reihe obligatorischen Hiebwaffen wie dem Stahlrohl, dem Katana oder dem Messer, gibt es auch zahlreiche Schusswaffen zu finden, zu denen die Pistole, die Schrotflinte und auch ein Maschienengewehr zählt. Zur reinen Ballerorgie kommt es allerdings nie; die Munition ist sehr knapp und muss daher auch sehr sparsam eingesetzt werden. Nach wie vor empfielt es sich vor manchen Gegner sogar einfach wegzulaufen oder daran vorbeizuschleichen. Dabei hilft wieder ein kleines Transistorradio, das anfängt zu rauschen, wenn sich eine Kreatur in der Nähe befindet und daher als eine Art Radar fungiert. Neu hinzugekommen ist die Möglichkeit bestimmte Arten von Monstern mit getrockneten Fleisch abzulenken. Ist die Kreatur abgelenkt, lässt sie sich vorsichtig umschleichen oder mit einem gezielten Hieb erschlagen.[/column]

[column size=one_third position=last ]Aller kleinen Verbesserungen zum Trotz ist das Kampfsystem stark überholt, was sich durch das schnellere Spieltempo und den damit häufigeren Konfrontationen deutlich macht. Heather reagiert vergleichsweise langsam im Gegensatz zu den teilweise recht schnellen Gegnern. Besonders in Gefechten mit mehreren Monstern, die Heather umzingeln, wird die Steuerung und die Beweglichkeit der Spielfigur zum Krampf, da auch die Ausweichmöglichkeiten beschränkt sind. Zusätzlich kommt noch der Umstand, dass Heather für kurze Zeit von einem kräftigen Hieb umgehauen werden kann und für zwei bis drei Sekunden regungslos auf dem Boden liegt. Bis man es schafft mit ihr aufzustehen, hat der Gegner zumeist schon längst zum nächsten Schlag ausgeholt, den die Spielfigur mit voller Breitseite abbekommt. Selbstverständlich stünde es den Hauptprotagonisten eine Silent Hill-Spieles schlecht zu Gesicht, wenn sie eindrucksvolle Kampfmanöver zu Tage legen; dennoch hätten sich die Programmierer entweder zu einem überarbeiteten, dynamischerem Kampfsystem oder langsameren Gegnern entscheiden sollen.[/column]

 

Warum der Punkt mit dem Kampfsystem in den beiden vorangegangenen Teilen der Reihe nicht bedeutsam war? Das liegt an den Gegnern, die sich dort leicht umgehen oder noch leichter besiegen ließen. Zudem hatte der Kampf in den Prequels einen nicht so hohen Stellenwert wie im diesem Teil.

 

Schöner Zweck, einfallsloser Weg

Um in dem Spiel voranzukommen, müssen auch verschiedene, teilweise recht groteske Rätsel gelöst werden, deren Bandbreite von “recht einfach” bis “mittelmäßig schwer” reicht. Extrem schwer und unfair sind sie zwar nie, fordern aber dennoch manchmal logisches Denken und Aufmerksamkeit. Trotzdem verdienen sich nicht den Innovationspreis. Im Gegensatz zum zweiten und vor allem erstem Teil von „Silent Hill“ reduzieren sich vor allem in der ersten Hälfte des Spieles die meisten Rätsel auf das „Benutze Gegenstand A mit Gegenstand B“-Prinzip. Richtig knackige Knobeleien sucht man in diesem Spiel leider vergebens. Wenigstens sind die eigentlichen Rätsel und die damit verbundenen Lösungen gewohnt „silent-hillisch“ inzeniert.

Das Inventar wurde im dritten Teil nochmal überarbeitet und zeigt sich jetzt ein wenig strukturierter. Die Navigation durch die einzelnen Abschnitte ist mit der aufrufbaren Karte (die man erst finden muss) kein Problem und nach wie vor vorbildlich gelöst. Automatisch werden markante Punkte eingezeichnet, ebenso ob eine Tür nicht passierbar oder durch einen Schlüssel geöffnet werden kann; auch die eigene Position wird angezeigt. In den meisten Fällen findet der Spieler einen Grundriss des Gebäudes und verwendet diesen als Karte, in den seltensten Fällen hat er keine zur Verfügung oder muss eine unfertige Karte weiterzeichnen (neue Bereiche werden automatisch eingezeichnet).

Silent Hill 3
Sehr gute und eigenständige Fortsetzung, die allerdings spielerisch unter dem erhöhtem Actionanteil leidet und das Frustpotential an manchen Stellen erhöht. Gestalterisch wie inhaltlich bleibt aber auch dieses Spiel ohne Zweifel alptraumhaft bizarr und faszinierend.
audiovisuelle Präsentation10
Realisierung der Spielmechanik7
inhaltliche Gestaltung und dramaturgische Aufbereitung9
8.7Gesamtwertung
Leserwertung: (0 Votes)
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