[dropcap size=small]E[/dropcap]s ist manchmal wirklich merkwürdig was die Spieleentwickler für Sachen auf den Markt werfen. Die Rede ist hier nicht von lobenswerten neuen Spielideen oder sonstigen Innovationen. Nein, ich schreibe hier von Software, die anscheinend unbemerkt an der Qualitätsprüfung vorbeigehuscht ist und plötzlich im Ladenregal auftaucht. So wie „Zombieville“ von Psynogsis, wo der gutgläubige Käufer anschließend nie wieder blind, aber beherzt zur Packung greifen wird ohne vorher irgendeinen Artikel dazu gelesen haben. Dieses Spiel ist nämlich ein hervorragendes Beispiel dafür, dass sich das Lesen von Tests in Zeitschriften und Internet wirklich lohnt.

Bevor ich überhaupt lang und breit meine Meinung über dieses Machwerk rausposaunen kann, muss ich erst einmal erklären, warum es eigentlich so ist, wie es ist. Tja … hmmm … man startet also das Spiel und das Intro erzählt eine von „Resident Evil“ abgekupferte Geschichte: In einer Militärbasis, die zufällig in einer verfluchten Stadt liegt (von was auch immer), werden illegale Experimente gemacht. Läuft alles eigentlich aus ganz prima, bis eines Tages etwas schief läuft und plötzlich Zombies und allerlei anderes ekliges Getier durch die Gegend wankt. Das kann selbstverständlich nicht angehen! Deshalb macht sich Privatdetektiv Matt Black auf die Zocken, um dem fleischfressenden Gesindel ein Ende zu bereiten. Dabei sieht Mr. Black gar nicht so aus wie ein Held: Er hat einen attraktiven Bierbauch, eine schickes kackbraunes Jacket und eine abgefahrene rote Jeans. Na gut, witzig ist das schon, zumal es in den Capcom-Pendants nur allzu perfekte Soldaten gibt.

Get mad with Matt Black!

Überhaupt nicht witzig ist die Steuerung. Matt lässt sich kaum vernünftig durch die Szenerie steuern. Das man die Steuerung, eine Kombination aus Maus und Tastatur/Joypad, nicht umkonfigurieren kann, macht die Angelegenheit nur noch ärgerlicher. Hat der Spieler sich mehr oder weniger damit abgefunden, wartet auch schon die nächste Überraschung auf ihn: Ein Zombie taucht auf. Erstmal Munition sparen und die Beine in die Hand nehmen. Matt Black wandert von einem Bildende zum anderen … und auf einmal bewegt sich der Zombie viel schneller als vorher auf meine Spielfigur zu! Unglaublich, ehe ich Piep sagen konnte, hatte ich den Untoten schon am Hals und mein digitales Leben am Bildschirm erlosch.
Solche Situationen gibt es im Spiel des öfteren und wenn ich es auf die Reihe gekriegt habe den Gegner über den Jordan zu schicken, taucht auch schon das nächste Vieh auf.

Wer sich an dieser Stelle noch nicht aufgeregt hat, wird es im spätestens bei den anderen Bugs im Spiel tun: Sehr oft stürzt das Game ab, weil das Programm eine Datei nicht finden kann. Spielt man dieselbe Stelle noch mal, fliegt man seltsamerweise nicht wieder ins Betriebssystem raus, sondern kann ganz normal weiterspielen, bis der nächste Fehler auftaucht. Noch bescheuerter ist das Gameplay selbst: Wer in Konversationen mit NPC`s die falsche Antwort anklickt, wird sofort getötet. Auch unvorhergesehene Aktionen werden mit einem „Game Over“-Screen bestraft. Und wer dann noch halbwegs Lust hat sich durch das Spiel zu kloppen, wird mit einem drögen Storyverlauf belohnt, der noch einfallsloser ist als ein billiges B-Movie aus der dunkelsten Ecke der Videothek.

Von Alpha-Versionen im Ladenregal

Das Game an sich ist schon miserabel, da setzt die Präsentation noch einen drauf: Die Grafik ist selbst für den technischen Stand von Anfang 1998 noch eine Zumutung, ebenso wie die lächerlichen Soundeffekte („Unk-Unk“-Geräusche!). Ledeglich die MIDI-Musik klingt noch ganz nett, da sie an Horrorfilmklassiker wie „Return of the living dead“ erinnert. Sogar so stark, dass es glatt ein Plagiat sein könnte.

Die Frage, die sich während des Zockens mir stellte, war: Warum wird so ein Käse auf den Softwaremarkt losgelassen? Tatsächlich ist die Existenz von „Zombieville“ ein einziges Mysterium. Wer das Dateisystem der CD durchforstet, wird eine Textdatei mit dem Inhalt „Alpha 1.4“ finden. Aha, eine Alpha-Version also? Nähere Nachforschungen auf der Internetseite von Psynogsis waren nicht von Erfolg gekrönt. Es gibt weder irgendeine Werbung oder auch nur den kleinsten Hinweis darauf, dass dieses Spiel überhaupt existiert. Im großen, weitem WWW sind ebenso so gut wie keine Infos zu finden, und wenn, dann stammen sie nur von europäischen Seiten. Noch viel merkwürdiger ist, dass weder in der Anleitung noch im Spiel die Entwickler erwähnt werden.

Tja, all das scheint darauf hinzuweisen, das die eigentlich sehr erfolgreiche Softwarefirma Psynogsis (versehentlich?) eine Alpha-Version von „Zombieville“ auf den Markt geschmissen hat. Warum? Das frage ich mich auch. Das wird wohl ein ewiges Geheimnis der Firma (die nun zu Sony gehört) bleiben, zumal die Qualität wirklich mehr als dürftig ist. Den einzigen Rat, den ich geben kann: Macht einen weiten Bogen um diese Packung … falls sie überhaupt noch einmal im Regal auftauchen sollte.

Zombieville
So witzig die Idee eines Antihelden wie Mr. Black ist: Zombieville ist in allen Belangen der absolute Bodensatz von einem Horrorspiel. Selbst mit viel Mühe geht das hier unter keine Kuhhaut!
audiovisuelle Präsentation1
Realisierung der Spielmechanik0.5
inhaltliche Gestaltung und dramaturgische Aufbereitung0.5
0.7Gesamtwertung
Leserwertung: (0 Votes)
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