Der Klang von Patricks Gitarre weckte Nicole. Das in dem 89’er Blue Bird TC überhaupt jemand schlafen konnte, schien auf den ersten Blick befremdlich. Der alte Schulbus ächzte bei jedem kleinen Schlagloch auf der Landstraße als wolle er zusammenbrechen, doch Nicole war diese Art zu reisen gewohnt. Sie streckte sich und lies ihren Blick über die Reisegesellschaft schweifen. Die Abschlussklasse der Newshire High zählte gerade einmal zwölf Schüler, Mr.Crabtree und den Busfahrer natürlich nicht mitgezählt. Shelly, ihre Sitznachbarin, hatte sich zu der Traube der anderen Schülerinnen gesellt, die schwer damit beschäftigt waren, die Kunstfertigkeit des jungen Mannes mit dem Seiteninstrument zu bewundern. Welchen Zauber er auch immer auf ihr Geschlecht ausüben mochte, Nicole war anscheinend dagegen immun. Auch Michelle war nicht zu sehen, warscheinlich lag sie auf einem der Bänke und versuchte auch, etwas Schlaf nachzuholen. David saß hinten, neben einem unscheinbarem Jungen mit dem Namen Robert, den alle Juicy nannten. Die Gründe dafür waren ihr bisher verborgen geblieben, und sie hatte auch nicht das Gefühl, dass sich daran was ändern würde, bis sie aus Newshire verschwinden und auf anständige Universität gehen würde. David schien in ein Videospiel vertieft und durch seine grossen Kopfhörer nichts von der Welt um ihn herum mitzukriegen. Sie lachte innerlich bei dem Gedanken, dass er von ihren Mitschülern wohl noch am besten nachempfinden könnte, wie es sich anfühlte, wenn…

Sie schüttelte die Idee ab und drehte dem Kopf zum Fenster. Links und rechts von der Strasse breitete sich eine endlose Hügellandschaft aus. Graue Wolken verdeckten die Sonne, es würde sicherlich bald regnen. Der Bus hatte gerade Brahms verlassen, eine der zahllosen kleinen Städtchen auf ihrem Weg, wo es nicht einmal eine rote Ampel gab, für die es sich anzuhalten lohnte. Noch 20 oder 30 Meilen. Nicole schloss wieder die Augen und lies ihre Gedanken wandern.

Mr. Crabtree hatte den Bus verlassen um zu sehen, ob es etwas Neues gab.

„Wie siehts aus, Kinder?“

Das Komitee hatte eine Notsitzung einberufen. Zusammen mit dem Busfahrer standen sie im Schutz eines Unterstandes an einem verlassenen Rasthof am Rande der Landstrasse. Der Regen prasselte in dicken Tropfen herab.

David deutete auf die Straßenkarte. Sie waren keine fünf Meilen vom Anlegeplatz der Fähre entfernt.

„Der Rasthof ist zwar nicht eingezeichnet, aber wir sind ungefähr hier, Mr. Crabtree. Der Tunnel vor uns ist gesperrt, wir haben bisher niemanden vom Straßenbauamt erreichen können. Deswegen haben wir beschlossen, einen kleinen Umweg zu nehmen.“

Sein Finger fuhr ein paar Meter auf der Karte zurück, nahm einen Abzweig und hielt in einer Stadt an, die am Rande des Toluca Lakes lag.

„Silent Hill, was? Hab ich schonmal gehört, soll schön da sein. Vielleicht sollte ich mir da einfach eine Pension suchen und euch Kids in Ruhe feiern lassen.“

Er lachte, doch Patrick schien die Idee ernsthaft zu gefallen, auch wenn sie es sicher schlimmer als mit Mr. Crabtree getroffen haben könnten. Michelle blies noch einmal eine blaugraue Wolke in die feuchte Luft und warf dann ihre Kippe weg. Die Glut starb langsam in einer Pfütze, die sich auf dem Boden gebildet hatte.

„Das Kollegium würde sie umbringen, und wir würden sie auf unserem Jahrestreffen vermissen.“

Der Lehrer schaute zu Michelle herüber. Auch wenn ihre Miene schwer zu deuten war, nahm er es als Kompliment.
Nicole begann damit, die Karte zusammenzufalten.

„Dann machen wir es so. In Silent Hill suchen wir uns dann eine andere Überfahrt, da auf dem See auch ein Hotel liegt, gibt es sicher eine Fähre oder sowas. Zur Not mieten wir uns einfach ein paar Ruderboote und verstauen unsere Sachen darauf.“

Fortsetzung folgt…